Freiwilliger Verzicht auf die Lieferschwelle - Das Verfahren am Beispiel Polen

Die Steuerzahler bzw. Unternehmen, deren Umsatz bzw. Entgelte eine bestimmte Grenze (=Lieferschwelle) nicht überschreiten, können den Ort der Besteuerung des Mitgliedstaats wählen, in das Sie verkaufen, sofern beim Finanzamt, welches dann die Besteuerung verliert, schriftlich ein diesbezüglicher Antrag gestellt wird.

Beispiel:

Ein in Deutschland ansässiger Online-Händler verkauft Waren, die in Polen gelagert wurden, an Privatkunden innerhalb der EU, aber die Entgelte überschreiten nicht die jeweiligen Lieferschwellen der einzelnen EU Länder z.B. die Lieferschwelle für Lieferungen aus Polen nach Deutschland (EURO 100.000,--) wird von dem Online-Händler nicht überschritten.

Dies ist der typische Fall für einen deutschen Online-Händler, der vom Fulfillment by Amazon Service - oder kurz FBA (dem sog. Amazon FBA Programm oder auch FBA Lager) Gebrauch macht.

In diesem Beispiel werden die Waren von Amazon in eines der polnischen Amazon Logistikzentren (Amazon Fulfillment Center) verbracht und von dort, d.h. aus Polen an die Endkunden versendet.

Da die Waren jetzt aus Polen geliefert werden, müssen grundsätzlich die Waren mit der polnischen Umsatzsteuer in Höhe von 23% versteuert werden, da die Waren jetzt nicht mehr aus Deutschland sondern aus Polen geliefert werden. Dem polnischen Finanzamt steht somit die Umsatzsteuer zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Waren aus den polnischen Amazon FBA Lagerzentren an Privatpersonen in Deutschland verschickt werden.

Selbstverständlich muss sich jetzt der deutsche Online-Händler in Polen zur Umsatzsteuer registrieren lassen und Umsatzsteuererklärungen abgeben, aber für den Online Händler macht es natürlich einen Unterschied, ob er 23% Umsatzsteuer ans polnische Finanzamt abführt oder 19% an das deutsche Finanzamt. Dieser Unterschied zwischen den Umsatzsteuersätzen zwischen Deutschland und Polen kann natürlich die Marge des Online-Händlers verringern.

Beachte: Das o.g. Beispiel geht davon aus, das die Lieferschwelle für Deutschland nicht überschritten wird, da sofern Sie überschritten wird, dem deutschen Finanzamt dann wieder die Umsatzsteuer zusteht. Dann gilt nämlich die Versandhandelsregelung.

Es geht also darum, sofort nur mit 19% deutscher Umsatzsteuer die Lieferungen aus Polen in Deutschland zu versteuern, solange man unter der Lieferschwelle für Deutschland liegt.

Was kann man jetzt tun?

Der Händler kann auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichten und sich damit freiwillig der Umsatzsteuer in dem anderen Mitgliedsland unterwerfen, in welches er liefert.

In o.g. Beispiel bedeutet dies, dass der Händler sich sofort er Besteuerung in Deutschland unterwirft, und somit auf die Anwendung der Lieferschwelle verzichtet, da er ja mit 19 % Umsatzsteuer die Waren abrechnen möchte und nicht mit 23 %. Er verzichtet somit auf die Möglichkeit bis zur Erreichung der Lieferschwelle in Deutschland mit 23 % polnischer Umsatzsteuer seine Waren in Rechnung zu stellen. Das macht ja auch Sinn!

Wie übt man den Verzicht auf die Lieferschwelle aus?

Es muss ein Antrag bzw. eine Mitteilung in dem Land gestellt/erstellt werden, welches das Recht zur Umsatzbesteuerung verliert. Auf diesem Antrag muss man den Namen eines oder mehrere Mitgliedstaaten angeben, für welches man den Verzicht ausübt, bzw. welches Land diese Meldung betrifft. Mit dem Optieren stellt man sozusagen den Antrag auf umsatzsteuerliche Registrierung im jeweiligen Land in welches die Waren versendet werden (= Lieferland / Empfängerland / Bestimmungsland)

am Beispiel Polen:

In obigem Beispiel möchte der Online-Händler sofort seine Lieferungen aus dem polnischen Lager mit 19 % deutscher Umsatzsteuer abrechnen, obwohl er die Lieferschwelle für Deutschland nicht überschreitet und eigentlich mit polnischer Umsatzsteuer abrechnen müsste.

Die Mitteilung in Polen muss auf dem Formular VAT-21 an die polnischen Finanzbehörden vorgenommen werden, welches als Muster in der Verordnung des Ministers für Finanzen vom 5. April 2004 definiert wurde.

Wichtig:

Der Verzicht ist nur wirksam, wenn er mindestens 30 Tage (Sperrfrist) vor der 1. Lieferung beim polnischen Finanzamt vorgelegt wird.

Innerhalb von 30 Tagen nach der ersten Lieferung der Ware nachdem "opiert wurde, d.h. also die Option zur Anwendung der Versandhandelsregelung", ist der Steuerpflichtige bzw. der Online Händler verpflichtet an das polnische Finanzamt einen Nachweis vorzulegen, welcher die bei der zuständigen Steuerbehörde des anderen Mitgliedstaates vorgenommene Anzeige betätigt, die Umsatzsteuer in diesem Land abzurechnen und abzuführen.

In obigen Bespiel, ist das für den deutschen Online-Händler kein Problem, da er ja in Deutschland als Steuerpflichtiger registriert ist, und dies mit der Steuerbescheinigung nachweisen kann.

Generell kann die Nichteinhaltung der Termine über der Bekanntmachung des Besteuerungsortes dazu führen, dass der Steuerpflichtige doppelte Steuern abführen muss, sowohl in Polen als auch in dem Bestimmungsmitgliedstaat.

Praxistipp:

Da es im Fall Polen die 30 tägige Sperrfrist gibt, ist es ratsam die Mitteilung über den Verzicht der Lieferschwelle vor Aufnahme der Lieferungen aus Polen einzureichen, sonst ist man verpflichtet die Lieferungen innerhalb der Sperrfrist mit polnischer Umsatzsteuer abzurechnen und abzuführen.

Muss man sich dann trotzdem im Polen zur Umsatzsteuer registrieren?

Ja, da wie in obigen Beispiel beschrieben, die Waren aus dem Amazon FBA Fulfillment Center in Polen an die Empfänger der Ware verschickt werden, besteht immer eine Registrierungspflicht zur Umsatzsteuer in Polen.

Muss man monatliche Meldungen abgeben?

Ja, die polnische Finanzverwaltung muss über die getätigten Umsätze informiert werden. Aber es ist keine Umsatzsteuer in Polen abzuführen, den Kunden kann in bei einem Verzicht auf Anwendung der Lieferschwelle weiterhin die relativ günstige Umsatzsteuer in Höhe von 19 % in Rechnung gestellt werden.

Wie lange ist der Steuerpflichtige bzw. der Unternehmer an die Option gebunden?

Man ist an den Antrag für 2 Kalenderjahre gebunden, ab dem Zeitpunkt der ersten Lieferung. Falls nach zwei Jahren sich der Steuerpflichtige dafür entscheidet die Option der Anwendung der Versandhandelsregelung nicht mehr auszuüben, ist er verpflichtet, in schriftlicher Form das Finanzamt über den Rücktritt zu informieren.

Merke:

1.Das Optieren ist immer dann sinnvoll, wenn die Umsatzsteuer in dem Land, in welches die Ware geliefert wird, niedriger ist als in dem Land, in dem die Ware lagert.
2.Verzichten kann nur ein Steuerpflichtiger, welche die Lieferschwelle nicht überschreitet, bzw. dessen Entgelte darunter bleiben

Welche Lieferschwelle ist relevant?

Für die Höhe der Lieferschwelle ist immer der von dem jeweiligen Land festgelegte Betrag entscheidend, in dem die Beförderung oder Versendung endet.

Was passiert wenn die Lieferschwelle in einem Mitgliedsland überschritten wird?

Falls die Lieferschwellen überschreiten werden, hat der Steuerpflichtige keine Wahlmöglichkeit mehr, d.h. er muss im Empfängerland bzw. im Bestimmungsland die Umsatzsteuer abführen.

Der Umsatz, mit dem die Lieferschwelle überschritten wird, muss bereits mit der Steuer im Empfängerland besteuert werden. Wurde die Lieferschwelle in ein Land in einem Jahr überstiegen, muss auch im Folgejahr mit der Umsatzsteuer des Empfängerlandes versteuert werden, unabhängig von der Höhe der erzielten Entgelte.

Weitere Erläuterungen:

Die Lieferschwellen bezeichnen den Gesamtbetrag der Entgelte im laufenden Kalenderjahr, bis zu dem die Lieferungen mit der Umsatzsteuer des Landes aus welchem die Ware versendet wird (Abgangsland / Ursprungsland) abgerechnet werden können. Also können alle Lieferungen nach Deutschland, die aus den einzelnen Mitgliedsländern versendet werden, mit der Umsatzsteuer abgerechnet werden die in dem Abgangsland anzuwenden ist.

Das Entgelt berechnet sich nach dem Warenwert zuzüglich Versand- und Nebenkosten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer.

Beachte:

Bei verbrauchssteuerpflichtigen Waren (Tabak, alkoholische Getränke, Mineralöl) ist die Lieferschwelle nicht anwendbar, do dass diese Lieferungen immer im Bestimmungsland bzw. Empfängerland zu versteuern sind, wenn der Abnehmer eine Privatperson ist.